Kulturgeschichte

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Zuletzt aktualisiert am: Mittwoch, 2. Mai 2007 

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Magisterarbeit
Martin Nagel: Umwelt, Besiedlungs- und Kulturgeschichte in Nordost-Niedersachsen während der Älteren Bronzezeit 

 

[4] KULTURHISTORISCHE INTERPRETATION DER ÄLTEREN BRONZEZEIT IN NORDOST-NIEDERSACHSEN

Dieser letzte Hauptabschnitt versucht einerseits durch die Synthese der Umweltdaten mit den archäologischen Quellen, andererseits durch die gesonderte Betrachtung der sich aus den Befunden ergebenden Informationen zur Klärung der Frage beizutragen, ob und inwieweit sich daraus Merkmale oder Strukturen menschlichen Verhaltens erschließen lassen, die zur Identifikation und Rekonstruktion von ehemaligen Kulturgruppengefügen berechtigen. Abschließend wird die Diskussion zur allgemeinen Stellung der Älteren Bronzezeit im kulturgeschichtlichen Prozeß innerhalb dieses Gebietes weitergeführt.

 

[4.1] Kulturbegriff

Aus enzyklopädischer Sicht ist Kultur als die Gesamtheit der Lebensäußerungen eines Volkes anzusehen (BROCKHAUS 1968, III, 244), wobei weiter, unter Wesen der Kultur, erläutert wird, daß dieser Begriff für das zusammengehörige Ganze von menschlichen Werken die Prägung von Landschaften ebenso umfaßt, wie die Ausbildung von miteinander kommunizierenden Systemen, wie z.B. soziale, wirtschaftliche oder technische Organisationsformen (a.a.0.). Diese Festsetzung ist, gerade wenn sie auf erst noch zu interpretierende ärchäologischeVerhältnisse übertragen werden soll, recht grob, sie umschreibt aber als wichtigstes Kriterium die Verknüpfung mehrerer Teileigenschaften, die erst zusammengenommen die Feststellung einer Kultur erlauben. Diese entscheidende Voraussetzung drückt auch K. FRERICHS in seiner, für diesen Zweck natürlich wesentlich genaueren, Definition aus, wenn er sagt:

    Unter einer "Kultur" begreifen wir die Gesamtheit der individuellen Verhaltensweisen und Produkte einer Menschengruppe, deren Mitglieder überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, in den verschiedenen Lebensbereichen den schon entwickelten und tradierten Gruppenregeln folgen.
    (FRERICHS 1981, 123)

Mit der nun anzuschließenden Frage: Wie läßt sich eine Kultur archäologisch erfassen? (dergl., S. 122) kommt K. FRERICHS zu dem Schluß:

    Bei begrenzter und einseitiger Quellenlage (z.B. keine oder sehr geringe Siedlungsfunde) ist es daher völlig unzulässig, von "Kulturen" zu sprechen.
    (a.a.O.)

Diese strenge Musterung der fachlichen Anwendung terminologisch festgelegter Begriffe wird nur dann verständlich, wenn man sich vor Augen führt, daß das gesamte archäologisch erfaßbare Material schon per se eine sehr starke Reduktion gegenüber der ehemaligen Gesamtkultur einer menschlichen Population aufweist. Wenn dann noch zusätzlich eine oder mehrere der möglichen Fundkategorien von vornherein für eine Untersuchung ausfallen, wie hier die Siedlungsfunde, kann die Grundbedingung, eine "Gesamtheit der Lebensäußerungen" aus unterschiedlichen Teilsystemen zusammenzusetzen, nicht mehr erfüllt werden.

Daraus bestätigt sich die bereits in der Diskussion des Forschungsstandes, dort aber noch nicht genauer begründete, kritische Beurteilung der begrifflichen Gleichsetzung der Älteren Bronzezeit Nordost-Niedersachsens mit einem Kulturkreis des Lüneburger Raums , wobei diese terminologische Ungenauigkeit überdies auf rein formenkundlichen Überlegungen beruhte (s. Abschn. 1.4.2).

Für die folgende Untersuchung wird davon ausgegangen, daß der Terminus Formenkreis die unterste Ebene der kulturhistorischen Benennungsmöglichkeiten darstellt. Diese Basis ergibt sich aus der bisherigen Bearbeitung, da in den Leithorizonten, d.h. in der Menge der in ihnen enthaltenen Leittypen, zeitlich und räumlich getrennte Formenkreise vorliegen. Es soll nun überprüft werden, ob sich für einzelne oder mehrere davon übereinstimmende menschliche Verhaltensweisen erschließen lassen, die, als Kultur-Indizien gewertet, zu der formalen Ansprache von Sittenkreisen führen.

 

[4.2] Mensch und Umwelt

Die hier zu betrachtenden Wechselbeziehungen zwischen dem "prähistorischen" Menschen und seinem naturräumlichen Umfeld beruhen darauf, daß der Mensch zur Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse darauf angewiesen ist, die angetroffenen Gegebenheiten in vielfältiger Art und Weise zu nutzen. Abgesehen davon, daß er selber Veränderungen durch aktive Eingriffe initiiert, wie dies in Abschnitt 2.3 angesprochen wird, reagiert er aber auch auf andere natürliche Vorbedingungen, die er nicht umgestalten will oder kann.

 

[4.2.1] Lagebedingungen der Grabbauten

Der einzige Nachweis aktiven Handelns ehemaliger Menschengruppen wird durch die Grabanlagen der Älteren Bronzezeit erfaßt.

Im Bild der Gesamtverbreitung fällt auf, daß sich die meist in Grabhügelfeldern zusammenliegenden Bestattungsbauten stark am Gewässernetz des Arbeitsgebietes orientieren, wobei berücksichtigt werden muß, daß wegen der starken Generalisierung der Karten die kleineren Bachläufe nicht erfaßt sind. Doch weist z.B. auch K.L. VOSS (1965, 343 für FO-Nr. 112, Wittenwater, Kr. Uelzen; 1974, 70 für FO-Nr. 155, Bonstorf, Kr, Celle) auf die Nähe zu einem Wasserlauf, bzw. zu einer Talmulde mit Quelltopf, hin. Besonders extrem wird diese Anbindung am Beispiel des mittleren Luhelaufes ersichtlich, wo aus dem dazu östlich gelegenen Bereich, der vermehrt Trockentäler aufweist (vgl. S. 24) keine Fundorte bekannt sind. Zur weiteren kleinräumigen Situationsananlyse fehlen entsprechende Informationen, es kann nur allgemein vermerkt werden, daß die Grabbauten häufig in mittleren und oberen Hanglagen positioniert sind.

Welche Kriterien können nun zur Auswahl dieser Bestattungsplätze geführt haben?

Den interessantesten Hinweis darauf gibt K.L. VOSS in seinem obigen Beitrag zu den Grabungen bei Wittenwater, Kr. Uelzen:

    Es [das Fundgelände; Anm. MN] hält sich streng an die Grenzen einer diluvialen Sand und Kiesablagerung, die inselartig rings von fetteren Geschiebelehm und Flottsandböden umgeben ist. ... Als Bestattungsplatz während eines langen Zeitraums.vom Ende des Neolithikums bis um Christi Geburt dürfte sich das Gelände wegen seiner geringen landwirtschaftlichen Nutzbarkeit - Ödland inmitten mäßig schwerer Ackerböden und am Rande feuchten Weidelandes in der Talaue - geradezu angeboten haben.
    (VOSS 1965, 343)

Wenngleich diese besonders deutlich heraustretenden geologisch-pedologischen Lageplatzbedingungen kaum als allgemeingültig vorausgesetzt werden können, so bleibt jedoch der Umstand bemerkenswert, daß dieses Gräberfeld, welches im Übergang vom Endneolithikum zur Älteren Bronzezeit erstbelegt wurde, einen Bereich einnimmt, dessen geringer Nutzwert (Landwirtschaft s. Pollenanalyse) durch die Anlage von Grabstätten nicht weiter beeinträchtigt wurde. Wenn man dies als Indiz für ein Verhaltensmuster einer menschlichen Gruppe wertet und weiterhin berücksichtigt, daß relativ häufig soweit bodenkundliche Phänomene in archäologischen Untersuchungen Beachtung fanden unter synchronisierbaren Grabhügeln gekappte Podsole dokumentiert sind, dann kann daraus erschlossen werden, daß die Menschen, die während der Älteren Bronzezeit lebten, nicht nur schon längerfristig bestehende, mit einer CallunaHeideVegetation versehene und nicht von Wald bedeckte Landschaftsräume vorfanden (vgl. Abschn. 2.3), sondern daß sie gerade die Flächen mit diesem nährstoffarmen Bodentyp (vgl. Abschn. 2.2.3) bevorzugt als Standorte zur Errichtung von Grabbauten verwendeten.

Die Bildung der Vegetationsfreiflächen wird mit großer Wahrscheinlichkeit als Resultat neolithischer Siedlungstätigkeit angesehen (vgl. VOSS 1965, 343-351), ihr anschließendes Ausscheiden aus dem natürlichen Prozeß der Wiederbewaldung kann nur Ausdruck einer zeitunabhängigen, ähnlichen Bewirtschaftungsweise sein (s. Abschn. 2.3).

 

[4.2.2] Naturraum und Besiedlungsverhalten

n den zusammenfassenden Kartierungen von naturräumlichen Strukturen und der Quellenlage (s.Karte 10 und Karte 19) lassen sich einige augenfällige Verbreitungsmuster erkennen.

Von einer Besiedlung ausgeschlossen sind, bis auf wenige punktuelle Ausnahmen, die insbesondere auf denGeneralisierungszwang für Karten dieses Maßstabes zurückgeführt werden müssen, die breiten, von Elbe bzw. Aller und Weser durchflossenen Urstromtäler sowie die, den zur Verfügung stehenden Raum weiter einengenden, feuchten Niederungsgebiete. Ähnlich sieht die Fundortverteilung im Bereich der Hohen Geest aus, wobei im Hinblick auf das Lüßplateau und die Göhrde damit zu rechnen ist, daß hier ehemalige Verhältnisse repräsentiert werden, wohingegen im Kreis Gifhorn eine geradezu extreme Forschungslücke vorliegt.

Damit kann vermerkt werden, daß sich der eigentliche Besiedlungsraum auf die Bereiche beschränkt, deren naturräumliche Merkmale mit dem Begriff Niedere Geest verknüpft werden können. Die darüber hinaus vorhandenen Fundpunkte verweisen auf die wohl gleichermaßen wichtige Bindung an Lehm oder Sandlößböden als dazukommende Lagevoraussetzung, welche eindeutig eine Vorzugsstellung gegenüber Standortbereichen mit sandigen Substraten einehmen. Dies wird durch die Grabfunde, die hier in vorwiegend Sande aufweisenden Gebieten kartiert sind, eher noch bestätigt, da sich in deren Nähe meist auch lehmigere Bodenarten nachweisen lassen, andererseits muß aber auch bedacht werden, daß sich die Qualität dieser Böden nicht mit heute bestehenden Verhältnissen vergleichen lassen muß (s. Abschn. 2.3). Mit gewisser Vorsicht soll die, in den Verbreitungsdaten einige Hinweise findende, Hypothese aufgestellt werden, daß gerade in den frühesten Leithorizonten (vgl. Karten 13/14) eine stärkere Beziehung zu Sandlößflächen besteht, eine genauere Analyse der speziellen Lagebedingungen muß jedoch einer kleinräumigeren Untersuchung vorbehalten bleiben.

Diese Reaktionen ehemaliger Menschengruppen auf die naturräumlichen Voraussetzungen des Arbeitsgebietes verweisen mit einiger Deutlichkeit auf eine vorwiegend agrarisch betonte Landschaftsnutzung, die in der Besiedlungsstruktur zum Ausdruck kommt und für die bereits im vorangehenden Abschnitt verschiedene Indizien zusammengefügt werden konnten. Dabei bildet das Vorhandensein von offen fließenden Gewässern zur Trink- und Brauchwasserversorgung den, die räumlichen Ausdehnungsmöglichkeiten in Teilgebieten mit ansonsten ähnlicher Struktur, begrenzenden Faktor.

Hinweise auf räumliche Kontakte, die sich im Bild der Leittypenähnlichkeiten zwischen den beiden wichtigsten Regionalbereichen der Süd und der Nordheide widerspiegeln, bestehen darin, daß die Fundorte im Bereich der Hohen Heide und der sich südlich anschließenden Sanderflächen in ihrer Anbindung an die Oberläufe von Böhme und Luhe einer geographischen Leitlinie zur Überquerung der Hauptwasserscheide zu folgen scheinen, die wegen der relativ günstigen Reliefbedingungen übrigens auch in moderner Zeit für die Streckenführung der Eisenbahnverbindung zwischen Fallingbostel/Bergen über Soltau nach Winsen bzw. Lüneburg genutzt worden ist (vgl. SCHRADER 1965, o.S., Abschn. III B, a) zu Karte Nr. 66). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß aus Südbostel, Kr. Fallingbostel (Hügel 1, Best. 2), FO-Nr. 168, der bislang einzige Nachweis für Metall-, d.h. Bronze-, Verarbeitung im südlichen Teil des Arbeitsgebiets durch den Beifund eines Gußtiegels (vgl. ähnliche Keramiken als Funktionstyp aus Robenhausen-Wetzikon, Schweiz, bei WINIGER 1971, Tf. 79) belegt ist.

 

[4.3] Befundanalyse

In der obigen Synthese konnten ganz allgemein Merkmale menschlicher Aktion und Reaktion im Verhältnis zu seiner natürlichen Umwelt festgestellt werden, die sich an bestimmte ökonomischökologische Regeln zu halten schienen. Es gilt jetzt anhand der archäologischen Quellen zu prüfen, ob sich auch in diesem von menschlicher Interaktion geprägten Bereich Regeln und Normen erkennen lassen, die Ausdruck eines mehrfach übereinstimmenden Individualverhaltens in einem zeitlich und räumlich zu differenzierenden Gruppengefüge sind.

 

[4.3.1] Beigabensitte

Gruppengepflogenheiten, die auch als Sitten oder Bräuche bezeichnet werden, sind hauptsächlich dafür verantwortlich zu machen, mit welchem Habitus ein totes Gruppenmitglied bei seiner Grablegung ausgestattet wird. Bei den erhaltenen und damit archäologisch erfaßbaren gegenständlichen Beigaben kann es sich zum einen um per sönliche Besitztümer des bestatteten Individuums oder um zusätzlich bzw. ersatzweise beigegebene Objekte handeln. Die spezielle Auswahl oder Veränderung gegenüber dem sozusagen tagtäglichen Habitus dieser Person ist eine Entscheidung der die Bestattung vollziehenden Gruppenangehörigen, wobei unter anderem auch die Beachtung einer Willenserklärung im Sinne einer testamentarischen Verfügung an eine gruppenspezifische Norm gebunden ist.

 

[4.3.1.1] Tracht

Trachtsitten lassen sich vornehmlich bei den Frauengräbern der Älteren Bronzezeit erkennen, wie schon die dafür repräsentative Zusammenstellung der geschlechtsspezifisch sortierten Grabinventare in der zeitlich und räumlich geordneten Leithorizontabfolge (s. Tab. 2) zeigt. Die dort aufgeführten Leittypen der jeweiligen Horizonte bedürfen zur Verdeutlichung von Trachtkombinationen einiger Erläuterung.

Bei den in ihrer Typenzusammensetzung recht ähnlichen Zeitgruppen A/w und C/w gelten folgende Übereinstimmungen (vgl. KUNTER 1974, passim):

  • Rad- und Scheibennadeln treten immer nur als Einzelstücke auf, sie liegen in gesicherten Fundzusammenhängen meist schräg auf dem oberen Brustbereich der Bestattungen.
  • Dagegen sind Stollenarmbänder in der Regel paarig vorhanden, zu den breiteren Stollenarmbändern mit hervorgehobener Mittelrippe findet sich häufig ein einzeln getragener Beinring. Diese Kombination wird in einigen Fällen zusätzlich durch einen oder zwei Armringe erweitert.
  • Stachelscheiben liegen immer nur in mehrfacher Anzahl vor, einige Male gleichen sich miteinander vergesellschaftete Stücke so sehr, daß auf dieselbe Gußform geschlossen werden muß. Ihre Befundsituation auf dem Brustteil der Toten verweist auf eine Trageweise als Anhänger einer Kette oder aufgenäht auf einen Umhang.
  • Schmuckscheiben finden sich in vergleichbarer Fundposition ebenfalls im Bereich des Oberkörpers, sie dienen gesichert als Kleidungsbesatz, werden jedoch auch als Einzelstücke an Halsketten aus Spiralröllchen getragen, wobei sie bei Vergesellschaftung mit Stachelscheiben als Mittelstück aufgezogen sind. Als Ausnahme muß der Fund von Hollenstedt, Kr. Harburg (FO-Nr. 24), genannt werden, wo eine große Schmuckscheibe mit Spiralverzierung (Horizont C/w) im Lendenbereich der Bestattung vorgefunden wurde (KRÜGER 1935, 197), was darauf schließen läßt, daß sie in diesem Fall am Gürtel befestigt gewesen sein mag.
  • In allen drei frühen Zeitgruppen (A/w, B/w, C/w) kommen, teilweise in sehr großer Anzahl, kegelförmige Hütchen, Bronzeblechröhrchen und Spiralröllchen vor, wobei verschiedene Befunde auf eine Verwendung für den Besatz von Umhängen und von Kopfbedeckungen verweisen (vgl. LAUX 1984a).
  • Aus diesen Daten zur Kombination und Trageweise muß gefolgert werden, daß hier eine weitgehend homogene Trachtsitte erfaßt wurde, die besonders im Leithorizont B/w stark ausgeprägt ist.

Den jüngsten Leithoizont D/w kennzeichnet eine davon zu unterscheidende typische Beigabenvergesellschaftung. In Tabelle 2 fand zur Darstellung der Leittypenkombination ein Teil des Gesamtinventars des Fundes aus Deutsch Evern, Kr. Lüneburg, Hügel 17, Best. 4 (FO-Nr. 59) Verwendung, an dem sich auch die entsprechende Tracht exemplarisch aufzeigen läßt:

    Neben den beiden leiterbandverzierten Halsringen, der Haarknotenfibel (Ähnlichkeit zu B/w) und der großen Spiralplattenfibel kommen zwei Manschettenarmbänder vor, von denen nur eins wegen der weitgehenden Ähnlichkeit abgebildet wurde. Die auf der Außenseite völlig verzierten Beinringe besitzen pro Garnitur übereinstimmende Muster und werden auch bei kleinerer oder größerer Gesamtzahl immer an beiden Fußgelenken getragen (vgl. LAUX 1974, 24). Dazu treten hier noch zwei Bronzeknöpfe mit unterseitiger Öse, wie sie auch schon in vergleichbarer Form in den anderen Zeitgruppen vergesellschaftet sind.

Diese sehr verschiedene Ausstattungsweise, bei der u.a. belegt werden kann, daß die im Grab aufgefundenen Gegenstände wahrscheinlich ab einem bestimmten Lebensalter ständig getragen wurden (s. LAUX 1974, 24/25), läßt ebenfalls eine eigenständige Trachtsitte erkennen, wobei in der chronologischen Bearbeitung ein zeitlicher Kontakt vorliegt.

Der regionale Formenkreis Nordwest ist im Hinblick auf eine bestimmte Tracht kaum zu erfassen, da sich in den wenigen Quellen keine als wirklich repräsentativ zu bezeichnenden Gemeinsamkeiten, d.h. Regeln, herausschälen. Jedoch liegen einzelne, als Trachtmerkmale zu wertende, Hinweise vor:

Zum einen sind ähnliche, aber doch verschiedene Leittypen (s.Abschn. 3.4.1) im Vergleich zur letztgenannten Zeit-und Trachtgruppe vorhanden, zum anderen fällt die Beigabe von Dolchen in Frauengräbern auf (vgl. Abschn. 3.3.2).

Wenn man daraus schließt, daß in diesem Raum Menschen einen z.T. vergleichbaren Gesamtformenschatz in anderer Weise nutzten, was durch die räumlich wahrscheinlich zu machende Zuordnung des eben als Ausnahme genannten Grabes von Hollenstedt auch in der Trageweise bestimmter Objekte zum Ausdruck käme, ist die Annahme einer eigenständigen Trachtsitte durchaus zulässig.

Insgesamt können also drei Trachtsittenkreise erkannt werden, die einmal in einem zeitlichen, ein andermal in einem räumlichen Verhältnis zueinander stehen.

 

[4.3.1.2] Bewaffnung

Die Bewaffnungsweise, die quasi als Tracht der Männer zu gelten hat, ist ebenso ein typisches Erkennungsmerkmal für bestimmte Regeln, der Mitglieder einer menschlichen Gruppe in relativer Übereinstimmung folgen (s.o.). Wie im vorhergehenden Abschnitt wird wieder die chronologische Leittypen-Tabelle zur Veranschaulichung herangezogen (Tab. 3). Sehr wohl das Problem erkennend, daß zum Beispiel Dolche oder Beile auch einen anderen Nutzwert gehabt haben können, als der intraspezifischen Aggression zu dienen, sollen diese Objektgruppen hier dennoch einbezogen werden.

  • Im frühesten LeithorizontA/m, dem oben keine Frauengräber synchronisiert werden können, besteht eine alternative Kombination aus einem sog. Kurzschwert mit einem Dolch oder einem Kurzschwert und einem Randleistenbeil. Aus allen hierzu gehörenden Gräbern sind herzförmige Silexpfeilspitzen bekannt.
  • Die Bestattungen der Horizonte B/m, C/m und E/m weisen in mehr oder weniger häufigem Maße vergleichbare Pfeilspitzen auf. Außerdem wird eine Übereinstimmung in der regelhaften Vergesellschaftung von Absatzbeilen und Dolchen ersichtlich.
  • Bei den drei Zeitgruppierungen des nördlichen Bereichs (F/m, G/m, H/m) sind Pfeilspitzen dieses, wenig prägnanten, Typs nur aus jeweils einer der zugehörenden Bestattungen bekannt.
  • Aus der nur wenig einheitlichen Ausstattung des Horizontes D/m läßt sich eine Kombination aus einem sog. Kurzschwert oder einem Dolch mit einem Beil (Absatz oder geknicktes Randleistenbeil) entnehmen, in einem Fall (Essel, Kr. Stade, FO-Nr. 41) wird diese Teilmenge durch eine Lanzenspitze und den Zusammenfund von einem Kurzschwert (in D/m mit einer das Schneidenteil halbrund umfassender Griffplatte) und einem Silexdolch erweitert.
  • In Leithorizont F/m ergibt sich als die, weniger als Bewaffnung denn als Tracht zu bezeichnende, typische Zusammensetzung von einer Lanzenspitze mit einer Nadel mit doppelkonischen Kopf, was sich bei gering anderer Nadelform in G/m insofern wiederholt, als daß dort zusätzlich ein sog. Kurzschwert (hier: mit durchbrochener Griffzunge) hinzukommt.
  • Die Gräber des Horizontes H/m der Nordwest-Region beinhalten nie Pfeilspitzen, ihre gemeinsamen Bewaffnungsmerkmale bestehen aus Dolch und Schwert, statt des Dolches treten auch Absatzbeile auf.

Zusammenfassend lassen sich vier Bewaffnungssittenkreise erkennen, von denen drei in zeitlicher Abfolge liegen, nämlich erst A/m,dann B/m, C/m und E/m und folgend F/m und G/m. Die Gruppe D/m ist wegen der Ersetzungsmechanismen zwischen Kurzschwert und Dolch als weitgehend ähnlich zu B/m ,C/m ,E/m zu stellen. Leithorizont H bildet in räumlicher Hinsicht einen parallelisierbaren eigenen Bewaffnungssittenkreis.

 

[4.3.2] Bestattungssitte

Auch in der Art und Weise, ob und wie Gräber angelegt, Bestattungen durchgeführt oder Gräber kenntlich gemacht werden, spiegeln sich gruppenspezifische Gepflogenheiten der Menschen, die diese Maßnahmen ergreifen.

Zur Rekonstruktion von Regeln solcher Art dienen Befunde, die die Gestalt und Ausgestaltung von Grabstätten erfassen. Die Durchführung einer Analyse zu diesen Fragen ist in starkem Maße davon abhängig, ob solche Befunde erkannt und dokumentiert worden sind und ob die erreichte Anzahl von gleichwertigen Informationen für eine zeitlich und räumlich differenzierende Diskussion repräsentative Aussagen erlaubt. Die Gesamtmenge der hier untersuchten Quellen ist dabei der der geschlossenen Funde identisch, die chronologisch sortiert werden konnten, während der vorangehende Abschnitt nur auf deren Teilmenge der visuell vergleichbaren Funde aufbauen mußte.

 

[4.3.2.1] Bestattungslage

Da bereits oben die Lage der Bestattungsplätze ausführlich diskutiert wurde, soll jetzt die Lage der Bestattungen im Hügel selbst untersucht werden. Die Frage gilt einer eventuellen Häufung von ähnlichen Merkmalen, wobei der Forschungsstand diese in entscheidendem Maße begrenzt, da nur zweidimensionale (d.h. auf eine horizontale Ebene bezogene) Aussagen zu zentral oder dezentral in einem Hügel gefundenen Grablegungen, bzw. zu solchen in halbkreisförmig begrenzten Apsiden, als tabellarische Basis zusammengefaßt werden können.

Diese Daten werden in der nachstehenden Tabelle (Tab. 5) nach gesamtchronologischen Gesichtspunkten und unterteilt nach Frauen- oder Männerbestattungen aufgegliedert:

 

 

zentral

dezentral

Apside

fragl.

o. Angabe

Summe

E/w

2

0

0

2

2

0

D/w

3

3

0

5

5

16

C/w

1

1

0

1

8

11

B/w

8

9

2

10

13

42

A/w

1

6

0

4

6

17

Summe weibl. Bestatt.

15

19

2

22

34

87

H/m

0

1

0

2

2

5

F/m+ G/m

3

3

0

4

6

16

D/m

5

1

0

2

3

11

E/m

3

1

0

5

10

19

C/m

7

0

1

2

9

19

B/m

2

1

0

4

5

12

A/m

2

0

0

2

1

5

Summe männl. Bestatt.

22

7

1

21

36

87

Gesamt

37

26

3

43

70

179

[Tab. 5] Relative Bestattungslage im Hügel

 

Bei der hohen Zahl der nicht genau bestimmbaren Lagebedingungen fällt es schwer, übereinstimmende Beziehungen zu erkennen. Zumindest scheint aber eines zu gelten:

    Im System sind mit sicheren Daten 36 weibliche und 30 männliche Bestattungen vorhanden. Unter der Voraussetzung, daß keine bestimmten Affinitäten zu der Bevorzugung einer der beiden relativen Positionen führten, müßten sich die Gräber beider Geschlechter gleichmäßig auf beide Lagebedingungen verteilen. Tatsächlich besteht jedoch ein großer Unterschied:

  • 21 der Frauengräber, d.h. ca. 60%, liegen dezentral bzw. apsidial
  • 22 der Männergräber, d.h ca. 75%, liegen zentral.

Daraus muß eindeutig geschlossen werden, daß hiermit gewisse Bevorzugungen ausgedrückt werden. Bei genauer Betrachtung der obigen Tabelle ist zu ersehen, daß sich dieses Ungleichgewicht. aus den Zeitgruppen A/w +B/m, B/w +C,E/m und C/w +D/m herleitet, die auch in der bisherigen Befundanalyse Gemeinsamkeiten zeigten.

Ohne hier im vollen Maße von einem erkannten Sittenkreis zu sprechen, muß dieses Ergebnis zumindest als deutliches Indiz für einen in diesen Horizonten ähnlich vorhandenen Bestattungsbrauch gewertet werden.

 

[4.3.2.2] Bestattungsorientierung

Bei der Anlegung eines Grabes kann auch die Auswahl bestimmter Himmelsrichtungen für die räumliche Orientierung der Bestattung von gruppenspezifischen Verhaltensnormen bestimmt sein, was sich aus der Bevorzugung einzelner oder weniger Ausrichtungen aus der Menge der möglichen Lagen für Körpergräber erschließen läßt.

Vor allem für das Endneolithikum und die Frühbronzezeit sind, ausgehend von der Bearbeitung des Saalegebietes durch FISCHER (1956), gruppendifferenzierende Skelettlagekombinationen erkannt worden, - übrigens spielt dieser Befundtypus auch eine entscheidende Rolle bei der Unterscheidung von "heidnischen" und "christianisierten" Individuen und Populationen in der Völkerwanderungszeit und dem Frühmittelalter - . Nach der Zusammenfassung von PAPE (1978, Tab. IV, VI) gelten im obigen zeitlichen Bereich zum Beispiel folgende, mit bestimmten Inventarzusammensetzungen verknüpfte, regelhafte Orientierungssitten (Kopfposition unterstrichen):

Aunjetitz (Flachgräber + Hügelgräber):

  • Frauen u. Männerbest.: S-N, rechtsseit. Hockstellung

Glockenbecher (Flachgräber):

  • Frauenbest. = S-N, rechtsseitige Hockstellung;
  • Männerbest. = N-S, linksseitige Hockstellung

Schnurkeramik (Hügelgräber):

  • Frauenbest. = O-W, linksseit. Hockstell. od. Rückenlage;
  • Männerbest. = W-O, rechtsseit. Hockstell. od. Rückenlage

Damit wird es besonders interessant, das eventuelle Vorliegen ähnlicher Phänomenefür die Ältere Bronzezeit im Arbeitsgebiet zu untersuchen, wozu nachfolgende Tabelle 6 in chronologisch-räumlich differenzierter Form (vgl. Tab. 4, Tab. 5) angefertigt wurde.

 

 

W-O

WSW-ONO

SW-NO

S-N

NW-SO

andere

o.Ang.

Zeil.-Sum.

E/w

2

2

0

0

0

1

1

6

D/w

7

1

1

0

1

0

7

16

C/w

4

2

1

0

0

0

4

11

B/w

7

1

11

0

0

2

20

41

A/w

3

1

1

4

0

0

9

18

Sum. weibl. Bestatt.

23

6

14

4

1

3

41

92

H/m

2

0

0

0

0

0

3

5

F/m+G/m

7

1

1

0

0

1

7

17

D/m

2

0

1

2

2

1

3

11

E/m

3

1

3

0

2

1

10

20

C/m

6

1

0

0

2

1

10

20

B/m

2

0

1

1

2

0

6

12

A/m

4

0

0

0

1

0

0

5

Sum. männl. Bestatt.

26

3

6

3

9

4

39

90

Gesamt

49

9

20

7

10

7

80

182

[Tab. 6] Bestattungsorientierung

 

Leider beeinträchtigt wieder der Dokumentationsstand eine repräsentative Auswertung, der Anteil der insgesamt interpretierbaren Daten liegt nur bei 55 %. Zusätzlich ist es nicht möglich, Aussagen über eine, vielleicht.unterschiedlich gehandhabte Körperrichtung durch die Feststellung der Kopfposition zu erarbeiten, da die Datenqualität dafür nicht ausreicht (vgl. PIESKER-Grabungen, Abschn.3.3.1.1).

Insgesamt werden W-O-Orientierungen bevorzugt, dies wird besonders für die Leithorizonte A/m und D/w, F/m+G/m deutlich, kann aber auch für den Horizont E/w, H/m (Nordwest-Region) als wahrscheinlich erachtet werden. Bei den weiteren Zeitgruppen wird diese ebenfalls beobachtete Körperlage um eine alternative Züge aufweisende Ausrichtung erweitert, bei der in NW-SO-Situation nur Männerbestattungen auftreten, während bei den Frauenbestattungen eine auffällige Häufung der dazu kreuzförmig angeordneten SW-NO Richtung in Horizont B/w zu beobachten ist.

Mit diesen Ergebnissen gehen also vier Orientierungssittenkreise aus der Untersuchung hervor, da die einzig oder fast auschließlich W-O-bestattenden Gruppen zeitlich oder räumlich zu trennen sind.

 

[4.3.2.3] Bestattungsform

Mit diesem Terminus ist die Frage verknüpft, in welchem körperlichen Zustand das zu bestattende Individuum beerdigt worden ist, da gerade oben nur Körperbestattungen behandelt wurden. Neben diesen, die in Särgen gelegene Körper einschließen, ergeben sich aus den Befunden auch eine Reihe von Brandbestattungenin unterschiedlicher Form, so daß geprüft werden muß, ob sich darin unterschiedliche kulturelle Verhaltensweisen ausdrücken.

Aus der Untersuchung ergeben sich folgende, nach Leithorizonten zusammengefaßte Merkmale:

  • A/m
    Neben Baumsargbestattungen ist einmal die Anlage eines sog. "Totenhauses" erfaßt, in der der Tote vor der Niederbrennung des Gebäudes (?) mit einer Lehmschicht überdeckt und somit nicht im eigentlichen Sinne mitverbrannt wurde (Baven, Kr. Celle, FO-Nr. 163).
  • A/w, B/w; B/m, C/m, E/m:
    Während bei den Männern nur Baumsargbestattungen bekannt sind, - ein "Scheiterhaufengrab", in dem aber kein Leichenbrand gefunden wurde und bei dem die Beigaben nicht angeglüht sind (Dorfmark, OT Westendorf, Kr. Fallingbostel, FO-Nr. 149), ist als Körperbestattung zu werten -, gibt es bei den Frauen nicht eingesargte Körperbestattungen, Baumsärge und Leichenbrandfunde. In den Fällen, wo solche Leichenbrandhäufchen am Fußende eines Baumsarges gefunden wurde, handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um mitbestattete Kinder. Bemerkenswert ist, daß der Anteil der Brandbestattungen (incl. "Kinder"), bezogen auf die Gesamtzahl der Frauengräber pro Leithorizont, mit 20 % (A/w) zu 19,2 % (B/w), fast identisch ist.
  • C/w; D/m:
    Bei gleichermaßen zunehmender Steigerungsrate ist hier dieses kennzeichnende Verhältnis, 50% Brandbestattungen bei den Frauen und 22% bei den Männern (zur Gesamtzahl der jeweiligen Gräber mit Befund, s.o.), bezogen auf den Unterschied bei den bestatteten Geschlechtern, als ähnlich zu der eben beschriebenen Gruppe zu bezeichnen.
  • D/w; F/m + G/m:
    Genau umgekehrt sieht es in diesem Leithorizont aus: nur 20% der weiblichen Bestattungen sind Leichenbrand-Gräber, während 45% der männlichen diesen Befund aufweisen. Daraus läßt sich eine deutliche Unähnlichkeit zur vorangegangenen Gruppe erkennen.
  • E/w; H/m (Nordwest Region)
    Bei den nur wenigen hier zu betrachtenden geschlossenen Grabfunden (6 weiblich; 5 männlich) ist es kaum möglich, von eventuell als repräsentativ zu geltenden Erkenntnissen zu sprechen. Doch fällt es auf, daß vier der Männergräber Körperbestattungen sind, wohingegen dies nur für zwei Frauengräber gilt. Letzteres hängt wahrscheinlich mit dem wiederkehrenden Befund von "Totenhäusern" zusammen, in denen hier weibliche Bestattungen zusammen mit einem Gebäude (?) verbrannt wurden. Zwei der männlichen Körpergräber lagen in Steinkisten, die im Verhältnis zu allen anderen Bestattungsweisen Unikate darstellen.

Auch bei diesem Teil der Befundanalyse können wieder die schon bekannten Sittenkreise erschlossen werden, die jeweils in sich ähnliche, zu anderen dagegen wenig vergleichbare Merkmale aufweisen.

 

[4.3.2.4] Hügelbau

Die Reihe der Befunduntersuchungen abschließend, wird ein Versuch unternommen, den Hügelbau auf gruppenspezifische Eigenheiten zu analysieren.

Schon WEGEWITZ (1949, 139) weist darauf hin, daß im sog. Nordischen Kreis, mit dem er das hier bisher als Formenkreis der Nordwest-Region oder Leithorizont E/w, H/m bezeichnete Gruppenphänomen anspricht, im allgemeinen größere Hügelbauten vorhanden sind als im sog. Lüneburger Kreis, der hier den anderen betrachteten Regionen und Leithorizonten (Ausnahme: A/m) gleichzusetzen ist. SIELMANN (1973, passim) stellt darüberhinaus die Vermutung auf, daß in der Relation der älterbronzezeitlichen Hügel zu denen des Endneolithikums ein gleicher Unterschied besteht (kleiner-größer).

Diese Allgemeingültigkeit beanspruchenden Behauptungen werden als Hinweis auf ein, sich eventuell im Materialaufwand der Kenntlichmachung von Grabstätten ausdrückendes, gruppenspezifisches Befolgen von übereinstimmenden Regeln verstanden, welche der Überprüfung bedürfen.

Von dem dazu benötigten Datenmaterial her sind recht gute Voraussetzungen vorhanden, da bei den meisten der geschlossenen Funde Angaben zur Höhe und zum Durchmesser der betreffenden Hügel vorhanden sind., während andere, den Hügelbau betreffende Informationen mit Ausnahme der Bodenart des verwendeten Baumaterials, weitgehend fehlen.

Es ist zu berücksichtigen, daß diese Daten den Zustand zu Beginn oder während der Ausgrabung und nicht den ehemaligen Zustand der Grabbauten beschreiben. Deshalb müssen möglichst alle auf ungleichen Faktoren beruhenden Erhaltungsbedingungen eliminiert werden. Damit ergibt sich eine Auswahl von Hügeln, die entweder unter Wald oder auf nicht ackerbaulich genutzten Flächen gelegen haben und die im Material, welches für die Festigkeit der Konstruktion verantwortlich zu machen ist, weitgehend übereinstimmen, d.h. Bodenart: Sande.

Als geometrisch vertretbare Annäherung an die Oberflächengestalt dieser Hügel wird die Berechnung über das Volumen eines Kugelsegmentes vorgenommen:
V = (pi·h/6)·(3·r²+h²)

Zum Ausschluß von Minimum- oder Maximum-Extremwerten, d.h. zum Erfassen eines Normbereiches, wird die sich für den jeweiligen Leithorizont bildende Spannweite der Rauminhalte, wenn möglich, um die jeweils entferntest liegenden Produkte gekürzt und auf Zehnerstelle gerundet. Das Ergebnis ist in einer der Tabelle 4 vergleichbaren Form aufgetragen.

 

SÜD

NORD

NORDWEST

 

D/w: 50-200 m³
F, G/m: 100-200 m³

E/w: ca. 600 m³
H/m: ca. 400 m³

E/m: 50-120 m³
C/m: 35-120 m³
B/w: 30-160 m³

C/w: ca. 120 m³
D/m: 90-150 m³

 

A/w: 30-90 m³
B/m: 40-70 m³

 

 

A/m: 180-190 m³

 

 

 

 

[Tab. 7] Hügelvolumina

 

Der durch Tabelle 7 mögliche Vergleich zeitlicher und räumlicher Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten ergibt folgende Merkmale:

  • Frauen- und Männer-Grabhügel der einzelnen Leithorizonte zeigen weitgehend übereinstimmende Volumina. Damit zeichnet sich eine gewisse Regelhaftigkeit ab.
  • Das Bauvolumen der Hügel nimmt innerhalb des engeren chronologischen Rahmens in anscheinend zeitlicher Abhängigkeit kontinuierlich zu, die älteren Hügel sind in einem gedachten Mittelwertsvergleich kleiner als die jüngeren.
  • Während die Werte für die beiden südlichen Gruppen nur gering um eine gemeinsame untere Grenzmarke schwanken, gilt für den mittleren raumübergreifenden Großhorizont ein gewisses Einhalten oberer Grenzwerte. Damit können diese Gruppen als solche mit einer Regel ähnelndem Bauverhalten zusammengefaßt werden.
  • Der jüngste Nordhorizont zeigt dagegen eine Volumenverschiebung in höhere Werte.

Da für Horizont A/m eine besondere Zeitgleichheit mit endneolithischen Erscheinungen eingeräumt wurde (s. Abschn. 3.4.3), ist daran zu denken, daß sich damit auch gewisse endneolithische Baugepflogenheiten widerspiegeln. Damit hätte B. SIELMANNs Vermutung (s.o.) im direkten zeitlichen Verhältnis zur Älteren Bronzezeit als quantitativ bewiesen zu gelten.

Falls die nur zwei von dieser Untersuchung erfaßten Hügel der Nordwest-Region eine gewisse Repräsentanz für eine damit erfaßte Gruppe besitzen, gilt dasselbe auch für die Äußerung von W. WEGEWITZ (s.o.).

Auch in dieser letzten Teilanalyse können in der Betrachtung des Bauvolumens von Hügelgrabanlagen die gleichen vier trennbaren Sittenkreise erkannt werden, die in der Untersuchung immer deutlicher hervortraten. Der Schluß auf organisierte Menschengruppen gilt umsomehr, wenn man sich vor Augen führt, daß als Tagesleistung einer Person die Bewältigung von ca. 1 m³ an Materialaushub und -aufschüttung angesetzt werden kann.

 

[4.4] Zusammenfassung der Kulturmerkmale

Da eine oder mehrere Kulturen im strengen terminologischen Sinne dieses Begriffs in dem betrachteten Zeitabschnitt der Älteren Bronzezeit in Nordost-Niedersachsen nicht kenntlich gemacht werden können, liegen durch die Diskussion von unterschiedlichen, parallel zu wertenden oder aufeinander aufbauenden Befundinformationen Kulturindizes vor, die als Sittenkreise anzusprechen waren.

 

[4.4.1] Grabsittenkreise

Durch das sowohl zeitlich als auch räumlich Parallelitäten zeigende Verhalten in den geschlechtsspezifisch getrennten Tracht und Bewaffnungssitten können diese in analoger Anordnung zu Beigabensittenkreisen komprimiert werden. Gleichlautende Beziehungsgefüge zwischen den Formenkreisen der Leithorizonte ergeben sich auch aus den Einzeluntersuchungen zur Bestattungssitte, so daß diese als Bestattungssittenkreise ersichtlich werden. Die übereinstimmenden Strukturen der Beigabensittenkreise und der Bestattungssittenkreise berechtigen zu der, im Verhältnis zur Quellenlage höchstmöglichen kulturellen Wertung in Form von Grabsittenkreisen.

Die unterschiedliche Qualität im jeweils erreichten Aussagewert zur Kennzeichnung der insgesamt vier erschließbaren Grabsittensysteme führt zu der Einschränkung, daß im Arbeitsgebiet allein zwei dieser Grabsittenkreise ausreichend repräsentiert sind. Die mit den jeweiligen Leithorizontsummen verknüpften, jeweils als weitgehend kulturidentisch aufzufassenden, Normensysteme können wie folgt zusammengefaßt und benannt werden:

  • A/w, B/w, C/w, B/m, C/m, D/m, E/m = Grabsittenkreis der südlichen Lüneburger Heide
  • D/w, F/m+G/m = Grabsittenkreis der nördlichen Lüneburger Heide.

Sie werden als die Kulturgefüge angesehen, die die Ältere Bronzezeit dieses Raumes verkörpern.

Der zeitlich davorliegende Horizont A/m kann, da davon ausgegangen werden muß, daß in seinem nur lokalen Auftreten innerhalb des Arbeitsgebietes nicht das räumliche Zentrum dieser kulturellen Erscheinung erfaßt worden ist, deshalb hier nur recht vage in Verbindung zu den auffälligsten Leittypen (s.o.) als Sittenkreis Sögel-Wohlde bezeichnet werden. Entsprechendes gilt für den nur allgemein erfaßbaren Horizont der Nordwest-Region, der in einen Zusammenhang mit dem sog. Nordischen Kreis zu bringen ist (s.o.), womit die Benennungsmöglichkeit vorgegeben scheint.

 

[4.4.2] Einfügung der Hortfunde

Nachdem die kulturelle Wertung der Grabfunde abgeschlossen ist, können nun die geschlossenen Hortfunde in das erarbeitete System eingegliedert werden. Eventuell ist auch bei ihnen an das Vorliegen einer Sitte zu denken.

Die drei Horte aus Becklingen (FO-Nr. 153), Offen-OT Bollersen (FO-Nr. 179) und Esterholz (FO-Nr. 184) beinhalten ausschließlich weibliche Trachtgegenstände, die dem Grabsittenkreis der südlichen Lüneburger Heide zuzuordnen sind.

In den gleichen kulturellen Zusammenhang gehören die beiden gesicherten Schmuckscheibenhorte aus Karwitz (FO-Nr. 98) und Molzen (FO-Nr. 110), sie verweisen mit ihren Inventargegenständen eindeutig auf den Leithorizont C/w. Auffällig ist dabei die aus dem sonstigen geographischen Verbreitungsraum (vgl. Karte 16) herausfallende Lage des Hortes von Karwitz. LAUX (1967, 31) verweist bei der Vorstellung des letzeren Fundes auf einen relativ jungen Zeitansatz durch Verknüpfungsmöglichkeiten mit dem Zeithorizont des nördlichen Grabsittenkreises.

Diesem ist der Hort von Ostedt (FO-Nr. 136) mit den in ihm enthaltenen, ebenfalls als weiblich zu bezeichnenden, Inventargegenständen zuzuordnen, wobei hier auch Leittypen aus der früheren Gruppe vorhanden sind.

Einen völlig andersartig zusammengesetzten Horttyp vertreten die drei Funde aus Stade-Campe (FO-Nr. 1), Neukloster (FO-Nr. 8) und Wiegersen (FO-Nr. 22), da sie fast ausschließlich Absatzbeile mit U-förmigem Absatz beinhalten. Von ihren räumlichen Koordinaten her sind sie in den Bereich der Nordwestgruppe einzuordnen. Durch eine einmal (Wiegersen) vergesellschaftet gefundene Schmuckscheibe sind sie den obigen Schmuckscheibenhorten zeitlich zu parallelisieren.

Die einzigen Funde aus dem Gebiet der Lüchower Niederung, die Eingang in diese Arbeit finden konnten, sind wieder drei Horte, die eine völlig verschiedene Zusammenstellung aufweisen. Sie stammen aus Marwedel (FO-Nr. 88), Bresse i. d. Marsch (FO-Nr. 92) und Tobringen (FO-Nr. 92). Ihre Inhalte werden von sog. Ösenhalsringen, die auch als eine spezielle Barrenform angesehen werden können, bestimmt. Ein zeitlicher Vergleich ergibt sich mit dem Hort aus Marwedel, dessen Randleistenbeile mit denen des Sittenkreises Sögel-Wohlde in Beziehung zu setzen sind.

Damit können die bisher in den Grabsittenkreisen erkannten Kultursysteme auch durch die Hortfunde erweitert und bestätigt werden. Weiterhin ergibt sich ein Hinweis zur Erklärung der scheinbaren Fundleere des östlichen Randgebietes, in dem zumindest von einem schwachen, nun auch dokumentierten Einfluß eines kulturell anders strukturierten Gefüges, welches mit dem Marwedeler Fund (vgl. STRUVE 1955, Tf. 32,3 nach FORSSANDER 1936) als Aunjetitzer Grab- und Hortsittenkreis (s.o.; vgl. PAPE 1978, passim) anzusprechen wäre, ausgegangen werden muß.

 

[4.5] Kulturhistorische Systeme als komplexe Beziehungsgefüge zwischen Endneolithikum, Älterer und Jüngerer Bronzezeit

In einer synthetisierenden Gesamtinterpretation können nun die erkannten und bearbeiteten Besiedlungs- und Kulturindizien zur Erstellung eines komplexen kulturhistorischen Systems der Älteren Bronzezeit in Nordost-Niedersachsen ausgewertet und gleichzeitig verdeutlicht werden. Dabei wird nicht nur die innere Struktur erfaßt, sondern auch das Beziehungsgefüge zum Endneolithikum einerseits und zur jüngeren Bronzezeit andererseits behandelt, wozu im Einzelfall auch zusätzlich bekannt zu machende Phänomene heranzuziehen sind.

Die Betrachtung folgt dem chronologisch erschlossenen zeitlichen Ablauf.

Das erste Auftreten einer Gruppe mit einem bronzezeitlich zu nennenden Habitus, welcher durch Grabfunde belegt ist, wurde mit dem Sittenkreis Sögel-Wohlde verbunden. Aus dem lokalen Auftreten dieser Gruppe mußte zum einen auf eine weitgehende Zeitgleichheit mit dem sog. Endneolithikum geschlossen werden. Zum anderen handelt es sich nach allen verfügbaren Daten um ein kulturelles Gebilde, dessen anzunehmendes Zentrum außerhalb des Arbeitsgebietes liegt, da anscheinend ein Grenzsaum zum als weitgehend gleichzeitig anzusehenden Aunjetitzer Grab und Hortsittenkreis (s.o.) das Arbeitsgebiet in Nord-Süd-Richtung durchschneidet (vgl. STRUVE 1955, Tf. 2 3 : hier allein Vergleich zw. Sögeler Bronzedolchen und Aunjetitzer Hortfunden). Weiterhin schließt die weitgehende Formen- und Sittenunähnlichkeit zum Grabsittenkreis der südlichen Lüneburger Heide die zu bedenkende Möglichkeit aus, daß ein direkter zeitlicher Kontakt zwischen diesen beiden Gruppen bestanden haben könnte. Damit muß dem SittenkreisSögel-Wohlde eine episodische Stellung im endneolithischen Bereich zugewiesen werden.

Die älteste Phase des Süd-Kreises scheint also, in Relation zu dem eben gesagten, erst ab einem späteren Zeitpunkt Bronzegegenstände in die Beigabensitte aufzunehmen, womit sich diese zusammengehörige menschliche Gruppe als eine vorher endneolithischen Charakter habende Population offenbart. Das drückt sich unter anderem (Silexpfeilspitzen) darin aus, daß gerade im Leithorizont A/w, B/m relativ häufig Gegenstände auftreten, die als Importe anzusehen sind. Als solche sind beispielhaft zu nennen: Doppelradnadel der sog. Netraer Variante und osthessisches Stollenarmband (in Frauengräbern), mittelrheinische Lochhalsnadel bzw. süddeutsche Keulenkopfnadel (in Männergräbern) (Objektbenennungen nach: LAUX 1971, passim). Nach H. SCHIRNIG

    ergeben sich auch ... erstaunliche Übereinstimmungen im Grabbau ... zwischen dem Lüneburger Kreis [hier: = Grabsittenkreis der südlichen Lüneburger Heide Anm. M. N.] und der hessischen Gruppe der Hügelgrabkultur.
    (SCHIRNIG/HEINEMANN 1970, 16)

und dies in einem Hügelgräberfeld (Ripdorf, Kr. Uelzen, FO-Nr. 113), für das, neben der in diesem Zeithorizont feststellbaren Belegung (vgl. Karte 14), überdies eine zeitlich durchgängig scheinende Errichtung von Grabstätten ab dem Endneolithikum bis in die jüngere Bronzezeit nachgewiesen werden kann (Endneolithikum:s. SCHIRNIG 1971, passim; Jüng. Bronzezeit: s. SCHIRNIG/PETERS 1970, passim). Für die Verbreitungsrichtung eines allmählichen Überganges von einer endneolithischen zu einer bronzezeitlichen Beigabensitte geht aus den Besiedlungsdaten (Vergleich zw. Karte 14 und Karte 15) ein damit übereinstimmendes Süd-Nord-Gefälle hervor.

Außerdem scheint sich in der Kartierung ein geschlechtsspezifischer Unterschied im zeitlichen Vorhandensein von Bronzegegenständen in den Grabfunden des nördlichen Bereichs zu dokumentieren, indem die Frauentracht anscheinend schneller einer veränderten Mode folgt als die Ausstattung der Männer; die Existenz solch zeitverschobener Anpassungsphänomene im unterschiedlichen Verhalten von Männern und Frauen kann im folgenden noch weiter belegt werden. Es muß hierzu einbezogen werden, daß auch im primären Bronze-Aufnahme-Vorgang in der Südheide (s.o.) aus der chronologischen Untersuchung ein Kontrastverhältnis kenntlich zu machen ist:

Die beiden Männerhorizonte B/m und C/m waren bedeutend schwerer zu trennen als die entsprechenden weiblichen Gruppen. Die Ermittlung einer früheren Zeitstellung für B/m ergab sich im besonderen aus der Feststellung, daß trotz der Unmöglichkeit, klar abzugrenzende Leittypen zu klassifizieren, Objektähnlichkeiten vorhanden sind, die übereinstimmend als technische Trends zu werten waren. Die hier unter dem Gesichtspunkt der Zeitabhängigkeit zu wertende Auflösung der keramischen Beigabensitte von B/m zu C/m kann nun als ein, dem obigen weiblichen Phänomen diametral entgegenstehendes, beharrendes Verhalten in der männlichen Beigabensitte gewertet werden, da im Endneolithikum allgemein Grabausstattungen mit keramischen Beigefäßen üblich zu sein scheinen.

In der folgenden Phase des Grabsittenkreises der südlichen Lüneburger Heide ist die Adaption an den Werkstoff Bronze soweit vollzogen, daß in der Tracht jetzt die sog. Lüneburger Radnadeln eindeutig überwiegen, die als raumidentische Produktion anzusehen sind (einflächiger Herdguß); dazu gehört auch der als zeitähnlich beurteilte Fund eines Gußtiegels (s.o.). In diesem Horizont B/w; C/m, E/m ist wieder ein Indiz für eine nach oben, d.h. zeitlich junge, geschlechtsspezifisch gestaffelte Grenze zu einem nur vermutbaren nachfolgenden Zeithorizont festzustellen, da E/m zum Teil mit der deutlich von B/w abgehobenen Zeitgruppe D/w synchronisiert werden konnte, wenngleich das recht deutliche Abbrechen in der Belegung der hier dokumentierten Grabhügelgruppen durch diesen Grabsittenkreis auf eine, sich nur auf eine relativ kurze Zeit erstreckende Verschiebung der Männer-Grabsitte deutet. Leider sind für den engeren südlichen Bereich keine Weiterbelegungen in irgendeiner spezifischen Form dokumentiert. Doch muß aus dem oben gesagten gefolgert werden, daß eine gewisse Ablösungsstruktur vorhanden ist, die es ausschließt, daß in diesem Gebiet eine zeitlich folgende Besiedlungsleere eintritt.

Der mit seinen Sittenstrukturen synchronisierte nördliche Raum dieses Kreises muß aufgrund der Schmuckscheiben und der zunehmend Brandbestattungen aufweisenden Grabsitte, die als ein Hinweis für den beginnenden, raum- und kulturüberdeckenden Einfluß des Grabritus der Jüngeren Bronzezeit zu werten ist, als teilweise jüngste Phase dieses Kulturgefüges aufgefaßt werden. Der besonders im Vergleich zu den vorher betrachteten zeitlichen Abschnitten dieses Verhaltenssystems zu beobachtende Unterschied im Verhältnis der Frauen zu den Männerbrandbestattungen kann aus der bisherigen Diskussion vergleichbarer Phänomene als differierende Norm erklärt gelten.

Das Verhältnis zum Endneolithikum geht aus der schon oben diskutierten räumlich zeitlichen Ausweitung der Bronze-Beigabensitte hervor, wobei die feststellbare jüngere Erfassung dieses Raumes nicht als Besiedlungsvorgang mißverstanden werden darf. Chronologisch unsicher ist dagegen die sich eventuell als zeitlich parallelisierbar erweisende Beziehung zu den endneolithischen Brandbestattungen (z.B.: Riesenbecher s. SCHIRNIG 1972, 60-68).

Für den zeitlich daran anschließenden Grabsittenkreis der nördlichen Lüneburger Heide ist nicht nur eine veränderte Leittypenmenge zu beobachten, sondern aus den deutlichen Unterschieden der gesamten Grabsitte muß ein allgemeines Gelten andersartiger Regeln im Verhalten dieser menschlichen Population abgeleitet werden. Das heißt aber, daß keine oder nur eine sehr geringe kulturelle Tradition vorliegt, womit kein allmählicher Wandel, sondern eher ein Bruch zu konstatieren wäre (s.u.). Trotz der gerade in einem Übergangsbereich anzusetzen scheinenden Existenz von Werkstattkreisen (vgl. Schmuckscheiben, s.o.; dazu: LAUX 1974, 25) fällt auf, daß gerade dieser Phase der Veränderung die überwiegende Menge der Hortfunde zuzuordnen sind. Wenn man nun, und das kann mit recht hoher Wahrscheinlichkeit erfolgen, die Anlage dieser Horte nicht als Ausdruck einer längerfristig bestandhabenden Sitte betrachtet, muß daraus geschlossen werden, daß eventuell ein individuell oder gruppenspezifisch empfundener Zwang zur Deponierung führte und darüberhinaus gewisse Hindernisse die Hebung und Verwendung der heute aufgefundenen Objektvergesellschaftungen vereitelten. Eine gewisse Erklärungsmöglichkeit besteht darin, daß anhand der Sitten und Formenähnlichkeiten zum Kreis der Nordwestregion, d.h. z um Nordischen Kreis (Leittypenvergleich: vgl. KLAMM 1984, z.B. Tf. 321 Nr.4 u. Nr.13, nach: RANDSBORG 1968 u. 1972), eine Veränderung in der Zugehörigkeit zu großräumigen Einflußsphären vonstatten gegangen zu sein scheint, da die vorherige Ausrichtung nach Süden gut belegt ist. Daß diese Umorientierung nicht schlagartig erfolgte, sondern einen gewissen Zeitraum in Anspruch nahm, belegen die Männer-Leithorizonte, die über den Leittyp des Absatzbeiles mit U-förmigem Absatz in einem relativen Zeitrahmen synchronisiert werden können. Damit ist wieder das Phänomen der geschlechtsspezifisch zeitversetzten Änderung von Verhaltensregeln erfaßt, welches bei einem abrupt verlaufenem Umschwung nicht aus Kontaktfunden erkenntlich geworden wäre. Weiterhin ist daraus zu schließen, daß eine sich in den Gräbern findende, den Raum besiedelnde Population in zeitlicher Ebene fortbesteht.

Das in relativer Zeitspanne dazu anschließende Verhältnis zur Jüngeren Bronzezeit ist für diesen Grabsittenkreis durch die nicht weiter nachprüfbare Umwandlung in einen Beigabensittenkreis belegbar (vgl. SCHIRNIG/PETERS 1970, passim).

 

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© 1985/1999/2007 Martin Nagel M.A.

 

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